Als Ende Dezember 2019 über die ersten Coronavirusinfektionen in China berichtet wurde, war kaum absehbar, dass sich aus diesem Krankheitsausbruch eine weltweite Pandemie entwickeln würde. Anfangs glaubte man noch, dass sich die Ausbreitung des SARS-CoV-2 durch Isolierung der Erkrankten und Quarantänemaßnahmen für Verdachtsfälle stoppen lassen könne. Inzwischen ist klar, dass sich das Virus trotz aller drastischen Maßnahmen weltweit verbreiten wird. Kein Epidemiologe glaubt noch daran, dass es gelingen kann, das Virus durch Isolierung und Quarantäne vollständig zu eliminieren.

Die Frage, die sich angesichts der heutigen Situation vordringlich stellt, ist daher nicht die Frage, wie wir das Virus eliminieren können, sondern wie gelingt es, dass es möglichst wenig Schaden anrichtet. Hier gilt es, direkten Schaden durch Todesfälle, Arbeitsausfall oder Überlastung des Gesundheitssystems gegen indirekte Schäden wie die Folgen von sozialer Isolierung und Wirtschaftsstillstand abzuwägen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Unklarheiten und den Mangel an Evidenz für die derzeit diskutierten und tatsächlich erfolgenden Maßnahmen darzustellen und als wichtigste Botschaft die Notwendigkeit aufzuzeigen, aus der derzeitigen Situation durch konsequente Forschung zuverlässige Daten für zukünftige ähnliche Ereignisse zu gewinnen. 

COVID-19 – Morbidität

Derzeit kommt es in vielen Ländern, so auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einer Verdoppelung der diagnostizierten Fälle ca. alle 2 bis 2 ½ Tage [1]. Hochrechnungen prognostizieren, dass die Kapazitäten der Kliniken und Spitäler für die Versorgung der Erkrankten im deutschsprachigen Raum spätestens Anfang April erschöpft sein werden [2]. Ob die derzeit ergriffenen Maßnahmen das Szenario günstig beeinflussen, ist ungewiss. Der Anstieg an neuen Fällen konnte in China, Südkorea und Singapur, wo deutliche Suppressionsmaßnahmen ergriffen wurden, zumindest verlangsamt werden [1,2].

COVID-19-Letalität

Es gibt keine zuverlässigen Zahlen über die Letalität von COVID-19. Sicher ist, dass die simple Division der Anzahl der Todesfälle durch die Anzahl der nachgewiesenen Erkrankungen zu einer substantiellen Überschätzung der sogenannten "Case Fatality Rate" (CFR) führt. Nach den Real-Time-Angaben des Center for Systems Science and Engineering der Johns Hopkins Universität gab es zum 19.3.2020 218.824 durch den PCR-Schnelltest gesicherte Infektionen und 8.810 Todesfälle [3,4]. Dies entspräche einer CFR bzw. Letalität von 4,0%. Diese Zahl ist jedoch durch mehrere Fehler behaftet: