Gesundheitliche Vorausplanung ("Advance Care Planning") für valide umsetzbare Patientenverfügungen

02.05.2022. In der aktuellen EbM-Kolumne zeigt Tanja Krones die Evidenz zum "Advance Care Planning" (ACP), einer hoch relevanten, komplexen Public-Health-Intervention, auf.

Dass wir bei Medikamenten, Operationstechniken oder bevölkerungsweiten Krebsscreening-Programmen oder strukturierten Behandlungspfaden nach der Evidenz für Nutzen, Schaden, Effizienz und (Kosten)-Effektivität fragen, und diese bei positiver Evaluation im solidarischen Gesundheitssystem refinanzieren, ist für uns mittlerweile selbstverständlich. Hierbei werden die Entwicklung, Implementierung und Evaluation von medizinischen Interventionen zunehmend multiprofessionell und gemeinsam mit Patient:innen vorangetrieben. Dass die Verfassung und Umsetzung von Patientenverfügungen, wie ein Testament, primär eine juristisch abgesicherte Angelegenheit ist, es um ein Papier geht, welches notariell beglaubigt und (manchmal) von einem Arztstempel verziert in der Schlafzimmerschublade verschwindet, und erst dann herausgezogen wird, wenn «nichts mehr geht», ist ein Bild, welches sich im deutschsprachigen Raum recht lange gehalten hat.

Dabei geht es um etwas ganz anderes: Darum, dass Patient:innen in allen Situationen, in denen sie akut, temporär oder chronisch nicht in der Lage sind, selbst zu entscheiden, medizinisch so behandelt werden, wie dies ihren wohlerwogenen Wünschen entspricht. Der kanadische Bioethiker Peter Singer war einer der ersten, der den Begriff der gesundheitlichen Vorausplanung Mitte der 1990er Jahre prägte:

»Advance Care Planning ist ein Prozess, in welchem ein Patient, in Absprache mit Gesundheitsfachpersonen und anderen wichtigen Bezugspersonen, Entscheidungen über seine oder ihre zukünftige Behandlung trifft. Basierend auf dem ethischen Prinzip der Autonomie und der rechtlichen Voraussetzung der informierten Zustimmung, hilft Advance Care Planning, sicherzustellen, dass eine informierte Zustimmung auch respektiert wird, wenn der Patient nicht in der Lage ist, am Prozess der Behandlungsentscheidung teilzunehmen. Ärzte können dabei eine wichtige Rolle spielen, indem sie Patienten über Advance Care Planning informieren, ihnen entsprechende Ressourcen bereitstellen und sie im Beratungsprozess unterstützen und dabei helfen, Patientenverfügungen entsprechend der Prognose anzupassen.« (Singer et al, 1996:1689, Übers. TK)

Advance Care planning (ACP), die gesundheitliche Vorausplanung inklusive der Erstellung von individuellen Patientenverfügungen, wird also als fortlaufende Behandlungsplanung für mögliche Situationen der Einwilligungsunfähigkeit definiert. Es bezeichnet einen Prozess im Gesundheitswesen, in welchem Ärzt:innen und, gemäß einer neueren international abgestützten Definition auch weitere qualifizierte Gesundheitsfachpersonen (Rietjens et al 2017, Sudore et al 2017), durch professionelle Information, Kommunikation, Dokumentation und Implementierung daran beteiligt sind, eine patientenorientierte Behandlungsqualität sicherzustellen. ACP ist damit nichts anderes als eine komplexe Intervention, an welche dieselben Anforderungen an Struktur,- Prozess- und Ergebnisqualität gestellt werden müssen, wie an alle anderen (komplexen) medizinischen Interventionen...

 

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