Neue Übersichtsarbeit des IQWiG: Nutzen von Kinästhetik in der Pflege bleibt unklar
Kinästhetik („Lehre von der Bewegungsempfindung“) ist vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet und wird als Handlungsansatz in der Bewegungsförderung bei pflegebedürftigen Menschen eingesetzt. Ziel ist es, individuelle Bewegungsabläufe, Aktivitäten und Interaktionen zu analysieren und darauf basierend Pflegeansätze zur Bewegungsförderung zu entwickeln – mit dem Anspruch, sowohl die Mobilität und Selbstpflegefähigkeiten der Pflegebedürftigen zu verbessern als auch die physische Belastung für Pflegende zu verringern.
Der ThemenCheck des IQWiG ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, Vorschläge für zu bewertende medizinische Verfahren einzureichen. Der Kinästhetik-Bericht war eines dieser ausgewählten Themen.
Kernergebnisse des Berichts:
- Für pflegebedürftige Menschen konnte aus den vier eingeschlossenen Studien kein gesundheitlicher Vor- oder Nachteil durch die Anwendung von Kinästhetik abgeleitet werden.
- Die Aussagekraft dieser Studien ist durch methodische Mängel eingeschränkt.
- Geeignete Studien, die den Nutzen von Kinästhetik für beruflich Pflegende untersuchen, wurden nicht gefunden.
- Es besteht kein Hinweis auf unveröffentlichte Studien, d. h., es ist nicht wahrscheinlich, dass die Evidenzlage kurzfristig stark verbessert wird.
- Aufgrund des derzeit fehlenden Nutzennachweises und des Ressourcenaufwands für die Schulung von beruflich Pflegenden in der Anwendung von Kinästhetik erscheint eine Refinanzierung entsprechender Fortbildungsangebote – z. B. aus Mitteln der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung – derzeit als nicht gerechtfertigt.
- Der Nutzen oder Schaden von Kinästhetik in der pflegerischen Bewegungsförderung für bewegungseingeschränkte Menschen und für beruflich Pflegende bleibt somit unklar.
Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, auch etablierte pflegerische Konzepte stets kritisch zu prüfen. Um das Wissen zu den Wirkungsweisen und Wirkungen kinästhetischer Bewegungsförderung zu verbessern, sind methodisch aussagekräftige vergleichende Studien in verschiedenen Versorgungsettings erforderlich. Dies wäre wichtig, um Menschen mit Pflegebedarf und beruflich Pflegenden evidenzbasierte Handlungsoptionen für die Unterstützung bei Bewegungseinschränkungen bereitzustellen.